Erstbesteigung der Südwand des Kunyang Chhish Ost durch Hansjörg Auer und sein Team

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Erstbesteigung der Südwand des Kunyang Chhish Ost durch Hansjörg Auer und sein Team by TNF

Presseauskunft vom 14.08.2013

Hansjörg Auer und Team gelingt Erstbesteigung der Südwand des Kunyang Chhish Ost.  Die ganze Geschichte des Aufstiegs – erzählt von Hansjörg Auer

München, 14.08.2013: The North Face®, der weltweit führende Hersteller von authentischer, innovativer und technisch ausgereifter Outdoor-Bekleidung, -Ausrüstung und -Footwear, freut sich mit dem österreichischen Athleten Hansjörg Auer über die erfolgreich abgeschlossene Erstbesteigung der 7.400 m hohen Südwand des pakistanischen Kunyang Chhish Ost.

Zahlen und Fakten der Expedition:
Höhe des Gipfels: 7.400 m
Höhe der Wand: 2.700 m
Ausrichtung: Südwest
Team: Hansjörg Auer (AT), Matthias Auer (AT), Simon Anthamatten (CH)
Erstbesteigung: 14.-18.07.2013
Frühere Versuche: Von 25.-28. Jun i2013 stiegen Simon und Hansjörg bis auf 7.000 m auf, am 2. Juli 2013
stiegen Simon und Hansjörg bis auf 5.600 m
Zeit im Basislager: 12. Juni – 21. Juli 2013
Expeditionsdauer: 5. Juni – 25. Juli 2013

Der Berg
Der 7.400 m hohe Kunyang Chhish Ost ist ein Nebengipfel des Kunyang Chhish, ein Berg im Gebirgszug Hispar Muztagh, der zum Karakorum in Pakistan gehört. Der Hauptgipfel des Kunyang Chhish ist 7.852 m hoch und steht damit an 21. Stelle der höchsten unabhängigen Gipfel der Welt. Er wurde 1971 zum ersten Mal von einer polnischen Expedition unter der Leitung von Andrzej Zawada bestiegen. Der Ostgipfel dagegen blieb trotz mehrfacher Besteigungsversuche bisher unerklommen. Am erfolgreichsten war bislang der Anlauf des amerikanischen Bergsteigerduos Steve House und Vince Anderson. 2006 näherten sich die beiden dem Gipfel bis auf 300 m, dann scheiterten sie an einem steilen Felsabsatz und mussten umkehren. Die 2.700 m hohe Südwand des Kunyang Chhish Ost galt lange als eine der letzten unbezwungenen alpinen Herausforderungen.

Die ganze Geschichte des Aufstiegs – erzählt von Hansjörg Auer
Das erste Mal kamen wir mit unserem Projekt in Berührung, als wir entlang der Moräne des Hispar- Gletschers gingen. Es war auf einer grünen Hochebene bei Dachigam, dort, wo der Pumari-Chhish-Gletscher aus dem Fuße des Kunyang Chhish fließt. Flüsternd sagte ich zu Simon: „Ich fasse es nicht. Es ist wirklich ein Monster.“ Ich war überwältigt von der extremen Größe. Dieses riesige Amphitheater, umringt vom Süd-, Haupt- und Ostgipfel, war einer der wildesten und urtümlichsten Orte, die ich je gesehen hatte. Wir gingen weiter in Richtung Basislager. Plötzlich blieb Simon stehen. Die Wolken stiegen höher und gaben den Blick frei auf die gesamte Südwand, bis hoch zum pyramidenförmigen Gipfel des Kunyang Chhish Ost. Unsere Blicke trafen sich und eine sagenhafte Stille erhob sich um uns, als wir erkannten, dass das, was wir zuvor gesehen hatten, nur die Hälfte des Gipfels gewesen war.

Der Beginn der Expedition verlief nicht nach Plan: Zuerst hatten wir Schwierigkeiten, eine Genehmigung für die Besteigung des Kunyang Chhish ost zu bekommen. Das warf uns bereits einige Tage zurück. Dann rief Simon mich aus Bern an, um mir zu sagen, dass die Probleme mit seinem Pass geklärt waren – doch leider kam fünf Minuten später ein Anruf meines Bruders Matthias, der mit einer schweren Verletzung am Daumen auf dem Weg ins Krankenhaus war. Die Nachricht brachte mich so durcheinander, dass ich mich setzen und wieder zur Ruhe kommen musste. Wir hatten soviel Zeit in das Projekt gesteckt, so viel recherchiert und trainiert. Es kam mir vor, als sei die ganze Sache geplatzt. Doch Hindernisse sind Teil des Lebens. Also beschlossen Simon und ich, dass wir trotzdem weitermachen wollten. Auf ins Ungewisse!

20 Tage später, am 25. Juni, brachen wir zu unserem Erstversuch an der Südwand des Kunyang Chhish Ost auf. Die Tage davor konzentrierten wir uns ganz auf die Akklimatisierung. Wir versuchten, uns langsam an die Höhe zu gewöhnen. Wir erkletterten ein paar Grate und kleine Wände in der Nähe des Basislagers und schließlich den 6.400 Meter hohen Ice Cake Peak, auf dessen Spitze wir übernachteten. Als wir wieder unten waren, ruhten wir uns nur einen Tag lang aus und packten dann unsere Ausrüstung für den ersten Versuch am Kunyang Chhish Ost.

Zwischenzeitlich war auch Matthias angekommen. Seine Verletzung und die mangelnde Akklimatisierung machten es ihm jedoch unmöglich, uns zu begleiten. Er konnte nicht einmal mit auf den Ice Cake Peak steigen, was ihm schwer zu schaffen machte. Aber wir mussten uns streng an die Regeln halten, wenn wir gegen den Kunyang Chhish nicht verlieren wollten.

Simon und ich fühlten uns wirklich stark und leistungsfähig bei unserem ersten Besteigungsversuch. Am dritten Tag, als das Wetter umzuschlagen begann und der Wind immer stärker wurde, erreichten wir eine kleine Biwakstelle auf 7.000 Metern Höhe. Es war erst 14 Uhr, aber die Wetterbedingungen machten einen weiteren Aufstieg unmöglich. Die Biwakstelle war der Witterung stark ausgesetzt. Ich werde diese Nacht nie vergessen: Die ganze Zeit hoffte ich, dass wir nicht vom Wind fortgerissen würden, in die Dunkelheit des Karakorum. Am Morgen danach kam es noch schlimmer: Durch den kleinen, geschlossenen Reißverschluss unseres Zelts drückte der Schnee durch. Normalerweise gelingt es mir sehr gut, meine Gefühle in schwierigen Situationen am Berg unter Kontrolle zu halten. Doch an diesem Morgen war mir plötzlich klar, dass wir sofort handeln mussten. Sonst würde es der Berg unter uns tun. Wir packten zusammen und kämpften uns hinter zum Fuß der Wand. 14 Stunden später kamen wir zurück zu Matthias, durchgefroren, zermürbt und leer.

Vier Tage später unternahmen wir den zweiten Versuch. Diesmal zwangen uns zahlreiche Lawinen und tonnenweise frischer Schnee, bei 5.600 Metern umzukehren. Wir waren zu früh aufgebrochen, um das Wetterfenster nutzen zu können. Wir ärgerten uns, aber im Hochgebirge muss eben alles absolut perfekt sein. Zwischen Niederlage und Erfolg liegt nur ein winziger Unterschied. Einen Fehler kann man sich nicht leisten.

Enttäuscht erreichten wir das Basislager. Wir hatten zwar noch drei Wochen Zeit, aber uns war klar, dass es nur noch einen Versuch geben konnte. Diese fehlgeschlagenen Anläufe laugten uns aus. Wir versuchten, zur Ruhe zu kommen und über Nacht neue Energie zu sammeln. Dann wurde uns klar, dass die Zeit gekommen war. Das war unsere Chance. Wir mussten sie ergreifen – jetzt oder nie.

In den nächsten zehn Tagen gab es nicht viel zu tun. Schlechtes Wetter mit extremen Höhenwinden am Gipfel und Schnee bis hinunter zum Basislager erforderten unsere Geduld. Die Expedition schlauchte uns, auch mental. Wir waren dem Gipfel bei unserem ersten Versuch so nahe gewesen. Am Abend des 13. Juli bekamen wir eine vielversprechende Wettervorhersage von Karl Gabl, unserem Meteorologen in Österreich. Es war zwar nicht das ideale Wetter, aber immerhin waren die Bedingungen an der Wand dank der klaren, kalten Nächte annehmbar. Und auch Matthias war jetzt bereit und hatte sich akklimatisiert. Am 14. Juli um vier Uhr morgens starteten wir unseren letzten Versuch – diesmal zu dritt.

An den ersten beiden Tagen verlief alles glatt. Nach einer spektakulären Biwaknacht auf einem winzigen, ungeschützten Schneepilz kletterten wir am zweiten Tag ohne Probleme auf eine Höhe von 6.600 m. Lediglich der aufkommende Wind und der aufgewirbelte Schnee auf den letzten Seillängen über Fels und Eis machten uns ein wenig zu schaffen. Es folgte eine weitere harte Nacht, in der unser kleines Zelt beinahe unter der Schneedecke, die sich darauf gelegt hatte, beinahe zusammenbrach. Der folgende Morgen präsentierte sich kalt und grau. Wir versuchten, höher zu klettern. Es gelang uns nicht. Nach 200 m stießen wir auf eine kleine Felsspalte. Dort führte ein Tunneleingang nach innen. Der perfekte Unterschlupf, ohne Wind und Schnee. Hier konnten wir die beiden nächsten Tage abwarten.

Am Morgen des 18. Juli legte sich der Wind und der Himmel klarte auf. Es sah aus, als sei dies unsere letzte Möglichkeit. Um 6 Uhr morgens brachen wir bei Sonnenaufgang auf. Der Abschnitt, der nun vor uns lag, war unregelmäßig und schwierig. Unsere Zehen und Finger waren steif vor Kälte. Unsere Kräfte fast am Ende. Wir kletterten waagerecht direkt auf dem höchsten Grat und gelangten so auf einfacheres Gelände. Während wir kletterten, verschlechterten sich die Wetterbedingungen, aber wir wussten, dass wir schon bald ganz oben sein würden. Immer langsamer kletterten wir Traversen bis zum höchsten Punkt. Um 12.30 Uhr war es soweit. Wir konnten es kaum glauben: Es ging nicht weiter nach oben, wir hatten den Gipfel erreicht. Mit Tränen in den Augen umarmten wir einander. Wir hatten den End- und Höhepunkt einer langen Expedition erreicht und genossen nun den herrlichen Blick über einen Ozean aus Wolken und Nebel, aus dem nur die höchsten Gipfel des Karakorum-Gebirges herausragten. Der Kunyang Chhish Ost ist nun nicht länger unbestiegen. Ein großartiges Projekt im Karakorum ist endlich erfolgreich abgeschlossen.

Quelle: Pressemitteilung und Fotos von TNF.

Reiner

Ich bin seit meiner Kindheit viel in den Bergen unterwegs. Mit meinem Bergfreund Sebastian habe ich deshalb das Projekt wandersüchtig.de gestartet. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen und würde mich freuen, wenn Ihr öfters bei uns vorbeischaut.